Kindler nach Grand-Prix-Silber: "Zeigen, dass wir vieles richtig machen"
Mit Silber beim Grand Prix im französischen Orléans hat Säbelfechter Frederic Kindler seine fechterische Weiterentwicklung in Richtung Weltklasse in beeindruckender Manier bestätigt. Die Verantwortlichen um Bundestrainer Vilmoz Szabo bescheinigen dem 27-Jährigen einen Reifeprozess. Kindler selbst bleibt demütig und selbstkritisch.
Am Ende dieses langen, verrückten und überaus erfolgreichen Wettkampftages in Orléans wirkte Frederic Kindler hin- und hergerissen. Auf der einen Seite hatte er wenige Stunden zuvor sein bestes Ergebnis auf Weltcup- und Grand Prix-Ebene gefeiert, mit der Silbermedaille das erste Edelmetall auf diesem Niveau ergattert. Auf der anderen Seite hatte er nach zwei Top-10-Siegen mit Fechtqualitäten auf Weltklasselevel im Finale beim Stand von 14:14 gegen den Ungar Krisztian Rabb erst nach dem letzten Treffer verloren.
Auf dem Weg zurück ins Hotel spät am Abend erklärte der Säbelfechter seine Gedanken gegenüber fechten.org: “Der Erfolg bedeutet mir ziemlich viel. Beim ersten Saisonturnier solch ein Ergebnis einzufahren, ist natürlich super. Ich war dennoch ziemlich gebrochen durch das Finale.” So zu verlieren, sei nie geil. “Man fühlt sich zunächst als erster Verlierer. Das Gefühl vorhin war nicht der Hammer”, sagte Kindler ehrlich.
Weltrangliste: Kindler auf Careerhigh 14
Mit etwas mehr Abstand zu diesem für ihn negativ behafteten Herzschlagfinale am Samstag ist die Lesart dieser Silbermedaille ausschließlich positiv: Der Nationalfechter vom TSV Bayer Dormagen hat beim ersten Grand Prix der jungen Saison sich selbst, den eigenen Nationalmannschaftskollegen- und Trainern, aber vor allem der internationalen Konkurrenz bewiesen, dass die Bronzemedaille bei der Europameisterschaft im Sommer kein einmaliger, positiver Ausrutscher war und sich mit dem Ergebnis auf Rang 14 der Weltrangliste katapultiert. Höher stand der 27-Jährige nie. In Abwesenheit des am Rücken verletzten Matyas Szabo ist Kindler momentan der beste deutsche Säbelfechter und entwickelt sich weiter zu einer Führungspersönlichkeit in den eigenen Reihen.
Rückblende: Im Halbfinale des prestigeträchtigen Grand Prix am Samstag hatte der DFB-Starter den hochdekorierten Franzosen Sebastien Patrice mit 15:13 niedergekämpft und damit sein Meisterstück abgelegt. Gegen den Lokalmatadoren, selbst dreimaliger Weltcupsieger, Vizeweltmeister und Weltranglisten-4., hielt Kindler trotz der lautstarken Anfeuerung des heimischen Publikums bis zum 13:13 Punkt für Punkt mit. Dann erzielte der 27-Jährige selbst zwei Treffer und ließ die Halle verstummen.
Kindler: “Im Halbfinale die Nerven behalten”
“Im Halbfinale habe ich die Nerven behalten. Ich war ziemlich im Tunnel”, erklärte Kindler rückblickend. “Ich kenne Patrice sehr lange, war gut vorbereitet. Es gab auch keinen wackligen Moment, wo ich nahe dran war, mich irgendwie zu verlieren.” Bereits an Wettkampftag eins hatte Kindler gut in den Grand Prix gefunden. (lesen Sie hier einen ausführlicheren Bericht zu Kindlers Turnier)
Kindlers Coach, Bundestrainer Vilmoz Szabo, sprach von einer “unglaublichen” Leistung seines Schützlings. Mit der Silbermedaille habe Kindler die Erwartungen einerseits übertroffen. “Andererseits hat er seit dem letzten Jahr mit beständiger, konzentrierter Trainingsleistung so einen großen Sprung gemacht, dass man als Trainer immer hofft. Und heute ist diese Hoffnung Realität geworden”, erklärte Szabo. Der Bundestrainer und Beobachter rund um die Nationalmannschaft bescheinigen Kindler einen Reifeprozess.
Kindlers Meilenstein: Gesetzt fürs Haupttableau
Kindler selbst, gibt sich im Gespräch selbstkritisch. Mit Bezug auf den finalen Treffer zu Gunsten seines Kontrahenten Rabbs, der dadurch den zweiten Grand Prix in Serie gewann, erklärte der DFB-Fechter: “Ich war nicht zufrieden, mit dem, was ich in diesem Moment gemacht habe. Ich habe so halbgar agiert, nicht mit 100 prozentiger Überzeugung. Er wiederum hat einen starken Griff gezeigt.” So habe er bereits vor dem Videobeweis gewusst, dass der Treffer nicht für ihn sei.
Dass er nicht zufrieden ist, wird dem Bundestrainer und den DFB-Verantwortlichen gefallen. Der zweite Platz und der Sprung in der Weltrangliste jedenfalls sorgt für Planungssicherheit. Bei den nächsten Weltcup- und Grand Prixs ist Kindler erstmals fürs Haupttableau vorqualifiziert - ein Meilenstein in der Karriere des aus Eislingen stammenden Fechters, der nach der verpassten Olympiaqualifikation 2024 seine Karriere grundsätzlich hinterfragte. Anderthalb Jahre später ist er laut Szabo in der Weltklasse angekommen.
“Das wichtigste war, die Top 16 der Weltrangliste zu erreichen. Jetzt nach der EM wieder einen weiteren schönen Moment zu erleben und eine Medaille zu gewinnen ist super. Aber in der Weltklasse fühle ich mich erst angekommen, wenn ich solche Leistungen über mehrere Turniere hinweg bestätigen kann”, sagte Kindler demütig. Sein Ziel sei, dass der Erfolg keine Eintagsfliege gewesen sei. “Mein EM-Ergebnis und dieses Ergebnis zu bestätigen, ist für mich das wichtigste. Ich möchte zeigen, dass noch mehr im Tank ist und dass wir als Nationalmannschaftsgruppe vieles richtig machen.”
Fotoverweis: Eva Pavía Gómez
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